JUNG, ABER GUT:
KLEINE GESCHICHTE DES
BLINDENFUSSBALLS

Blindenfußball ist eine relativ junge Sportart. Ihren Ursprung hat sie in Brasilien. In Südamerika, England und Spanien wird teilweise schon seit den sechziger Jahren organisiert gespielt. Weltmeisterschaften gibt es seit 1998 alle zwei Jahre. Argentinien ist der aktuelle Weltmeister. In das Licht einer breiteren Öffentlichkeit rückte Fußball von blinden und sehbehinderten Menschen aber erstmalig 2004 bei den Paralympischen Spielen in Athen, wo der Blindenfußball als Demonstrationssportart in den Kanon der paralympischen Disziplinen aufgenommen wurde.

Mittlerweile wird Blindenfußball in über 20 Ländern erfolgreich gespielt.

Die Europameisterschaften finden alle zwei Jahre statt. Spanien war bereits fünfmal erfolgreich. Der aktuelle Titelträger ist Frankreich.

Die Deutsche Nationalmannschaft belegte unter Cheftrainer Ulrich Pfisterer bei der EM 2015 den 6. Platz und verpasste damit die Qualifikation für die Paralympischen Spiele 2016.

Bei der EM 2017 im eigenen Land erreichte die Deutsche Auswahl den 6. Platz und scheiterte somit knapp an der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 in Spanien. Bei der Endrunde 2022 verlor die deutsche Mannschaft  das Spiel um Platz 3 gegen England und wurde bei der Europameisterschaft Vierter. Bei der Weltmeisterschaft 2023 in England belegte die deutsche Auswahl am Ende Rang elf.

Im Jahr 2012 zählte die Blindenfußball-Bundesliga zu den 365 ausgezeichneten Orten im Wettbewerb "Deutschland – Land der Ideen". Im August 2018 wählten die Zuschauerinnen und Zuschauer den Treffer des St. Pauli-Spielers Serdar Celebi zum "Tor des Monats der ARD-Sportschau“.

Die BLINDENFUSSBALL-Bundesliga (DBFL)

145.000 blinde und mehr als 500.000 sehbehinderte Menschen leben in unserem Land. Immer mehr von ihnen spielen Fußball. 2006 gilt als das Geburtsjahr des Blindenfußballs in Deutschland. Im Rahmenprogramm der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 fand in Berlin das erste große internationale Turnier auf deutschem Boden statt: der International Blind Challenge Cup (IBCC).

Seitdem gab es in Deutschland mehrere große Turniere. Immer mehr blinde Sportler können sich für Blindenfußball begeistern, bereits an 19 Standorten trainieren Teams oder befinden sich im Aufbau. Die Zusammenarbeit mit den dortigen Fußballvereinen bietet sich an. Für die Integration blinder und sehbehinderter Menschen in „normale“ Vereinsstrukturen wurde der VfB Gelsenkirchen im Mai 2010 ausgezeichnet. Im Rahmen des Tags des Blindenfußballs vor dem Berliner Reichstag erhielten Trainer Holger Stäbel und der blinde Abteilungsleiter Bayram Dogan aus den Händen des damaligen Bundesinnenministers Dr. Thomas de Maizière einen Ehrenpreis der Bundeskanzlerin.

Übrigens: Seit dem Jahr 2019 gehören alle Teams, die an der BLINDENFUSSBALL-Bundesliga (DBFL) teilnehmen, einem Fußballverein an.

Jahr
Titelträger
2008
SF BG Blista Marburg
2009
MTV Stuttgart
2010
MTV Stuttgart
2011
MTV Stuttgart
2012
SF Blau-Gelb Blista Marburg
2013
MTV Stuttgart
2014
MTV Stuttgart
2015
SF Blau-Gelb Blista Marburg
2016
SF Blau-Gelb Blista Marburg
2017
FC St. Pauli
2018
MTV Stuttgart
2019
SF Blau-Gelb Blista Marburg
2020
MTV Stuttgart
2021
FC St. Pauli
2022
FC St. Pauli
2023
SF Blau-Gelb Blista Marburg

Schirmherren

Die BLINDENFUSSBALL-Bundesliga erfuhr dabei in den Jahren 2011-2013 Unterstützung von höchster Stelle: Schirmherr war in dieser Zeit Staatsoberhaupt Joachim Gauck. „Blindenfußball ist eine faszinierende Spielart des Breiten- und Spitzensports Fußball. Der Kampf um den rasselnden Ball schafft Gemeinsamkeit und leistet so einen wichtigen Beitrag für unser Zusammenleben“, betont Gauck. „Der Blindenfußball zeigt uns, zu welch außerordentlichen Leistungen Menschen mit Behinderungen im Stande sind und trägt so zu mehr gegenseitigem Verständnis bei. Ich habe daher gerne die Schirmherrschaft übernommen“, so der Bundespräsident.
Die Schirmherrschaft übernahm zunächst Christian Wulff während seiner Amtszeit als Bundespräsident. Ihm folgte Joachim Gauck. Anschließend war der ehemalige Fußballprofi und Kuratoriumsmitglied der DFB-Stiftung Sepp Herberger, Uwe Seeler, Schirmherr der Blindenfußball-Bundesliga bis zu seinem Tod im Jahr 2022.

Joachim Gauck

Christian Wulff

Uwe Seeler

Die BLINDENFUSSBALL-Bundesliga (DBFL), die im März 2008 in ihre Premierensaison startete, bildet das Fundament des deutschen Blindenfußballs. Die europaweit einzigartige Spielserie für blinde und sehbehinderte Menschen wurde von der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) und vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) gemeinsam ins Leben gerufen.

Acht Mannschaften aus ganz Deutschland spielten 2008 um den ersten Titel. Deutscher Meister wurde damals die SSG blista Marburg. Das Team aus Hessen, das heute unter dem Namen SF Blau-Gelb Blista Marburg firmiert, sicherte sich auch 2012, 2015, 2016 und 2019 den Deutschen Meistertitel. In den Jahren 2009, 2010, 2011, 2013,  2014, 2018 und 2020 gewann jeweils der MTV Stuttgart die begehrte Meistertrophäe. Im Jahr 2017 wurde der FC St. Pauli erstmalig Deutscher Meister im Blindenfußball. St. Pauli gewann auch 2021 und 2022 den Meistertitel.

Die Bundesliga sorgt für Aufmerksamkeit und wird mehr und mehr Menschen für diesen Fußball begeistern. Sie ist auch nötig, um das Niveau kontinuierlich zu steigern und damit auch international konkurrenzfähiger zu werden. Denn eine starke und etablierte Liga trägt dazu bei, eine leistungsstarke Nationalmannschaft zu formen.

Der Tag des Blindenfußballs

Der 20. Mai 2010 war für den Blindenfußball in Deutschland ein besonderer Tag: Unmittelbar auf dem Platz der Republik vor dem Hauptportal des Berliner Reichstagsgebäudes wurde auf einem extra aufgebauten Kunstrasenspielfeld den ganzen Tag über Blindenfußball gespielt.

„Sie können mir glauben, wir können uns vor Anfragen nicht retten. Verbände und Firmen wollen hier vor dem Reichstag ihre Veranstaltung abhalten, und natürlich müssen wir meistens absagen. Diese Anfrage habe ich aber gerne akzeptiert, denn wir wollen heute ein Zeichen setzen“, sagte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert, als er den „Tag des Blindenfußballs“ eröffnete. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hatte die Schirmherrschaft übernommen. Als Höhepunkt traf die deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft auf die Türkei und setzte sich 3:2 (1:0) durch. Den Siegtreffer erzielte vor der Rekordkulisse von rund 2.000 Zuschauern der Kölner Michael Wahl drei Minuten vor Spielende.

Vier Jahre nach einem ersten Demonstrationswettbewerb in Berlin kehrte der Blindenfußball in die Hauptstadt zurück. Der Rasselball rollte vor dem Parlamentsgebäude als sicht- und hörbares Zeichen, dass der Sport in der Mitte der Gesellschaft angekommen war.

„Die Sepp-Herberger-Stiftung und die kooperierenden Verbände haben dem Blindenfußball in Deutschland Rang und Namen verschafft. Das Engagement des DFB ist wesentlich dafür, dass die Sportart bekannt wurde und sich weiter entwickelt“, betonte der damalige Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, der wie auch die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag die laufende Sitzung des Parlaments verlassen hatte, um die deutsche und türkische Nationalmannschaft zu begrüßen, die am Nachmittag vor dem Reichstag zu einem Länderspiel, dem Heimdebüt der Deutschen, antraten. Die Nationalhymnen wurden live präsentiert durch das Bundespolizeiorchester Hannover.

Bundestagspräsident Lammert und Dr. Thomas de Maizière nutzten den Tag auch, um unter Anleitung von DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher eigene Erfahrungen im Blindenfußball zu sammeln. Mit Dunkelbrille versuchten sie dabei den Rasselball in einem vom damaligen DFB-Vizepräsidenten Karl Rothmund gehüteten Tor unterzubringen.